Mastozytose und andere Mastzellerkrankungen
(mast cell activation disease, MCAD)
Seitenübersicht:
- Zusammenfassung
- Definition und Systematik der Mastzellerkrankungen
- PRIMÄRES Mastzellaktivitätssyndrom (primäres MCAS)
- Hautmastozytose (cutaneous mastocytosis, CM)
- Systemische Mastozytose (systemic mastocytosis, SM)
- Monoklonale Mastzellen mit unbestimmter Bedeutung (MMUS)
- Monoklonales Mastzellaktivitätssyndrom (MMAS)
- SEKUNDÄRES Mastzellaktivitätssyndrom (sekundäres MCAS)
- IDIOPATHISCHES Mastzellaktivitätssyndrom (idiopathisches MCAS)
- PRIMÄRES Mastzellaktivitätssyndrom (primäres MCAS)
Zusammenfassung:
Die Mastzellaktivierungserkrankungen (MCAD) lassen sich weiter unterteilen in Mastzellleukämie (MCL, äusserst selten), systemische Mastozytose (SM, sehr selten) und Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS, häufig). Einige Autoren nehmen weitere Unterteilungen vor. Auf diesem noch jungen Forschungsgebiet hat die Systematik jedoch erst provisorischen Charakter. Teils könnten die Versuche, Ordnung in die verschiedenen Erscheinungsformen zu bringen, willkürlich sein, da das Beschwerdebild einerseits von verschiedenen körperlichen Ursachen abhängt, andererseits aber auch zufallsbedingt ist, je nach dem, in welche Organe krankhaft veränderte Mastzellen einwandern, sowie umweltbedingt (Art und Stärke der Auslöser).
Definition und Systematik der Mastzellerkrankungen
Mastzellerkrankungen (mast cell activity diseases, MCAD) haben verschiedene Ursachen und dem entsprechend viele Erscheinungsformen. Sie sind komplex und noch sehr unvollständig erforscht. Die Unterscheidungs- bzw. Diagnosekriterien sind noch nicht abschliessend definiert und deshalb noch als vorläufig zu betrachten. Sieht man sich nur mit dem Erscheinungsbild (Phänotyp) dieser Krankheit konfrontiert, ohne den zu Grunde liegenden Entstehungsmechanismus bereits zu kennen, spricht man vom Mastzellmediatorsyndrom bzw. von Mastzellmediatorsymptomen (mast cell mediator-release symptoms, MCMRS) oder vom Mastzellaktivitierungssyndrom (mast cell activity syndrome, MCAS) als Sammelbegriff. Das Syndrom ist die Folge einer Mastzellaktivierung (mast cell activation, MCA). In der Literatur verwendet man meist folgende Systematik bzw. Terminologie zur Gruppierung in verschiedene Formen:
P R I M Ä R E S MASTZELLAKTIVITÄTSSYNDROM (primary MCAS)
Vom primären Mastzellaktivitätssyndrom spricht man dann, wenn man Mastzellen mit einer aktivierenden Mutation findet. Das ist bei folgenden Formen der Fall:
Hautmastozytose (cutaneous mastocytosis, CM)
Die Hautmastozytose ist eine seltene Erkrankung, bei der es ausschliesslich in der Haut zu gutartigen Ansammlungen von Mastzellen kommt. Das Knochenmark und andere Organe oder Gewebe sind nie betroffen. Die Haut zeigt rötlich-braune Pigmentflecken, die gelegentlich Bläschen bilden und bei denen durch Reiben eine Schwellung und Rötung aufgrund einer Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen entstehen kann (Darier-Zeichen). Die Krankheit bricht fast immer schon im Kindesalter aus und verheilt meistens bis zur Pubertät. Seltener kann sie auch im Erwachsenenalter weiter bestehen. Die Entstehung ist unklar. Die Krankheit ist nicht vererbbar. Sie wird weiter unterteilt in:
- Maculopapulare cutane Mastozytose (MPCM)
(veraltet: Urtikaria pigmentosa (UP)) - Diffuse kutane Mastozytose (DCM)
- Mastozytom
Systemische Mastozytose (systemic mastocytosis, SM)
Unter dem Begriff systemische Mastozytose wird eine Gruppe von Erkrankungen zusammengefasst, bei denen es zu abnormalen Ansammlungen von Mastzellen in einem oder mehreren inneren Organen kommt, mit oder ohne Hautbeteiligung. "Systemisch" bedeutet, dass die Erkrankung mehrere Organe befällt (oder befallen kann). "-zytose" bedeutet Zunahme der Anzahl Zellen in einem Gewebe.
Anders als bei der reaktiven Mastzellhyperplasie (siehe weiter unten) stammen die in den befallenen Organen angesammelten Mastzellen von einer einzigen mutierten Zelle ab. Dies nennt man monoklonal oder klonal. Abhängig von den Folgen der Mutation unterteilt man die SM weiter in die sehr seltene Mastzellleukämie und die sehr häufigen systemischen Mastzellüberaktivitätsstörungen [Homann et al. 2010, S.545].
Mastzellleukämie (mast cell leukemia, MCL)
Die Mastzellleukämie ist sehr selten. Sie entsteht dadurch, dass eine bösartig entartete, mutierte Mastzelle sich im Blut ungehemmt und schnell zu vermehren beginnt. Es ist eine Form von Krebs, jedoch mit der Besonderheit, dass nicht in einem festen Gewebe ein Tumor entsteht, sondern dass es sich bei diesem Krebstyp um eine bösartig mutierte Einzelzelle handelt, die sich in einer Flüssigkeit (Blut) vermehrt und verteilt. Was für eine Mutation zu dieser überschiessenden Vermehrung führt, ist unklar. Die Mastzellleukämie ist auch bei medikamentöser Behandlung kaum behandelbar, schreitet schnell voran und führt meist innerhalb weniger Monate nach der Entdeckung zum Tode.
Systemische Mastzellüberaktivitätsstörungen
Viel häufiger als die Leukämie sind die systemischen Mastzellüberaktivitätsstörungen (monoklonales systemisches Mastzellüberaktivitätssyndrom). Anders als bei der Mastzellleukämie wirken sich diese pathologischen Veränderungen nicht so sehr auf die Zellteilung (Proliferation) der Mastzellen aus, sondern führen vor allem zu einer Abnahme der Mastzellapoptose. Die Apoptose wäre ein eigentlich gewollter programmierter Zelltod. Weil die Zellen bei der Störung dieses Mechanismus zu langlebig werden, nimmt ihre Zahl lokal langsam zu. Die grössere Zellzahl bringt auch eine vermehrte Freisetzung von Mediatoren mit sich.
Unterformen der SM gemäss WHO-Definition:
- Indolente Systemische Mastozytose (indolent systemic mastocytosis, ISM): Häufigste Untergruppe der SM, gutartige, milde Verlaufsform, geringe Beeinträchtigung, normale Lebenserwartung.
- Isolierte Knochenmark-Mastozytose (isolated bone marrow mastocytosis, BMM) [Molderings et al. 2011, Tab.1]: Immer ohne Hautbeteiligung und mit eher unauffällig tiefen Serumtryptase-Werten. Dies führt dazu, dass diese Patienten oft übersehen werden und keine Diagnose erhalten. Ausser in wenigen Fällen, wo einzelne Symptome wie plötzlicher Blutdruckabfall oder Osteoporose die Aufmerksamkeit des gut informierten Arztes zufällig in die richtige Richtung lenken. [Sonneck et al. 2006, S. 159]
- Schwelende Systemische Mastozytose (smoldering systemic mastocytosis, SSM): Vor allem das Knochenmark ist stark betroffen.
- SM mit einer begleitenden klonalen nicht-mastzellartigen Bluterkrankung (sm with associated clonal hematological nonmast cell lineage disease, SM-AHNMD): Wenn eine noch undifferenzierte Vorläuferzelle mutiert, bei der noch nicht festgelegt ist, was aus ihr später einmal werden soll, dann entstehen aus dieser Zelle nebst Mastzellen auch andere Typen von Blutzellen, welche diese Mutation tragen. Nach bisherigen Erkenntnissen ist dies die zweithäufigste Untergruppe der SM.
- Aggressive Systemische Mastozytose (aggressive systemic mastocytosis, ASM): Selten. Zunehmender Schweregrad, Beeinträchtigung der Organfunktion von einem oder mehreren Organen, ungünstige Prognose.
- Extrakutanes Mastozytom / Mastzellsarkom: Äusserst selten kann es vorkommen, dass die sonst nur einzeln vorkommenden Mastzellen einen festen Tumor bilden (weltweit nur einzelne Fälle bekannt). Ist er gutartig, spricht man vom extrakutanen Mastozytom (irgendwo im Körper ausser in der Haut), ist er bösartig, nennt man ihn Mastzellsarkom.
Fast immer handelt es sich um die ISM oder um eine SM-AHNMD. Die anderen Unterformen werden nur selten diagnostiziert.
Monoklonale Mastzellen mit unbestimmter Bedeutung (monoclonal mast cells with undetermined significance, MMUS)
Monoklonales Mastzellaktivitätssyndrom (monoclonal mast cell activation syndrome, MMAS)
Bei den Diagnosen MMUS und MMAS handelt es sich um ein Zwischending zwischen der reaktiven Mastzellhyperplasie und der systemischen Mastozytose. Diese Mastzellaktivitätsstörungen unterscheiden sich von der systemischen Mastozytose nur dadurch, dass die geforderte Anzahl und Kombination von Diagnosekriterien, wie sie von der WHO definiert wurden, nicht erfüllt werden. Einzelne Kriterien sind jedoch erfüllt und weisen deshalb dennoch auf ein Mastzellgeschehen hin. Wenn z.B. die Mutation D816V nachgewiesen werden kann, aber nicht genügend andere Befunde für eine Mastozytose vorliegen, soll die Diagnose "monoklonales MCAS" (=MMAS) gestellt werden. [Horny et al. 2012]
S E K U N D Ä R E S MASTZELLAKTIVITÄTSSYNDROM (secondary MCAS)
Vom sekundären Mastzellaktivitätssyndrom spricht man dann, wenn die Mastzellaktivierung nicht durch aktivierende Mutationen, sondern durch Typ I-Allergien oder durch andere Erkrankungen verursacht wird. Einige Beispiele:
Reaktive Mastzellhyperplasie (reactive mast cell hyperplasia)
Die reaktive Mastzellhyperplasie ist eine normale Abwehrreaktion des Körpers bei einer Aktivierung des Immunsystems, z.B. bei einem Infekt. Fühlt sich der Körper von einem Erreger angegriffen, sendet das Immunsystem mit Botenstoffen chemotaktische Signale aus und lockt damit normale, gesunde, nichtklonale Mastzellen zum Ort des Geschehens. Die Mastzellen reichern sich im betroffenen Gewebe oder auch im ganzen Körper vorübergehend in einer abnormal hohen Konzentration an. Dadurch kommt es lokal zu einer übermässig hohen Ausschüttung von Histamin und anderen Mastzellmediatoren und zu einer Entzündung. Nach gewonnener Schlacht normalisiert sich dieser reversible Vorgang wieder. Die reaktive Mastzellhyperplasie ist folglich keine Krankheit, sondern ein in ausserordentlichen Situationen lebensnotwendiger Vorgang. Wir erwähnen sie hier trotzdem, weil sie bei der Diagnose leicht mit einem krankhaften Mastzellgeschehen verwechselt werden könnte und auch für das bessere Verständnis der Mastzellfunktionen.
Allergien
IgE-vermittelte Allergien führen zu heftiger Freisetzung von Mediatoren (Mastzelldegranulation). In bestimmten Fällen wo man dem Allergen dauerhaft ausgesetzt ist und ihm nicht ausweichen kann oder es nicht erkennt (z.B. Hausstaubmilbenallergie, Pollenallergien), führt dies zu einer dauerhaft bestehenden Erkrankung mit schwankender Intensität wie beim primären MCAS.
Bei sehr vielen Betroffenen mit einer primären MCA findet man gleichzeitig auch Allergien. Möglicherweise weil eine primäre MCA das Immunsystem stört und dadurch eine genetische Prädisposition für das Entwickeln von Allergien darstellt. Jedenfalls kommt es oft vor, dass bei demselben Patienten sowohl ein primäres wie auch ein sekundäres MCAS vorliegt.
Weitere Erkrankungen mit sekundärem MCAS
Weitere Beispiele von Erkrankungen, bei denen sekundär Mastzellmediatoren freigesetzt werden:
- Autoimmunerkrankungen
- Infektionen
- Physikalische Urtikaria
- Autoimmune Urtikaria
- Chronische Entzündungen
I D I O P A T H I S C H E S MASTZELLAKTIVITÄTSSYNDROM (idiopathic MCAS)
Idiopathisches Mastzellaktivitätssyndrom
Oft liegt zwar eine typische Symptomatik einer Mastzellerkrankung vor, man kann jedoch auf Grund der Diagnosekriterien nicht genügend Hinweise für ein Mastzellgeschehen, aber auch keine anderen Erkrankungen finden, so dass eine Mastzellerkrankung dennoch die wahrscheinlichste Ursache scheint. Dann spricht man vom idiopathischen Mastzellaktivitätssyndrom. "Idiopathisch" (von idio = unwissend und pathos = Krankheit) heisst bloss, dass man noch nicht weiss, womit man es zu tun hat.
Vielleicht ist ja bei denjenigen Fällen von idiopathischem Mastzellaktivitätssyndrom, wo man keine Abnormalitäten bei den Mastzellen finden kann, nicht eine Mastzellüberaktivitätsstörung, sondern eine Histaminabbaustörung der HNMT oder eine Abbaustörung irgendwelcher anderer Mediatoren die Ursache oder zumindest verstärkend daran beteiligt?
Denkbar ist auch, dass es sich in einigen Fällen um die Aktivierung von basophilen Granulozyten handelt, die ebenfalls Histamin ausschütten können [Akin et al. 2011, S.1102].
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Symptome
Quellenangaben
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Y | Zurück zur vorherigen Stelle |
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